Geschichte der Gemeinde Zell

Die frühesten Zeugen einer Besiedelung unseres Gemeindegebietes sind die Fundamentreste eines römischen Landhauses, die bei der Restaurierung der Kirche Zell 1958 entdeckt und freigelegt wurden.

Nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft stiessen die Alemannen im 7. Jahrhundert n. Chr. ins Tösstal und Zürcher Oberland vor. In diese Zeit fällt auch die Bekehrung der Bevölkerung zum Christentum. Mauerreste unter der Kirche Zell deuten auf eine Mönchsklause hin, die von einem Anhänger des Wanderpredigers Gallus gegründet wurde. Diese Mönchszelle, lateinisch «Cella», gab unserer Gemeinde den Namen.

Erstmals schriftlich erwähnt wurde «Cella», Zell, in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 741. Zell gehörte zusammen mit Turbenthal einer alemannischen Adelsfamilie an. Eine Angehörige dieser Familie, Frau Beata, schenkte Zell und Turbenthal dem Kloster Lützelau, dessen Stifterin sie war. 744 ging «Cella» ans Kloster St. Gallen über. In unbekannter Zeit übergab die Abtei St. Gallen Zell und andere Besitzungen im Tösstal als Lehen an die Grafen von Kyburg. Später gelangten diese St. Galler-Lehen an die Habsburger. Unter ihrer Herrschaft bildete Zell, zusammen mit den Höfen Burg bei Langenhard, Hirsgarten bei Rikon, Bolsterberg, der Mühle Rikon, Rämismühle, Oberlangenhard, Garten sowie den Höfen Wellenau bei Bauma ein eigenes Amt, das jedoch schon bald mit dem Amt Kyburg vereinigt wurde. Zwischen 1377 und 1452 wurde die Grafschaft Kyburg und somit auch Zell verschiedentlich verpfändet, bis sie nach dem Ende des alten Zürichkrieges endgültig an Zürich gelangte.

Während des Ancien Regimes, den Jahrhunderten zwischen Reformation und Revolution, wurde in Zell wie auch weitherum 80 % des Volkseinkommens in der Landwirtschaft erzielt. Bevölkerungswachstum und eine zunehmende Verknappung der Lebensgrundlagen verursachten eine grosse Armut, vor der auch die Bevölkerung Zells nicht verschont blieb. Krankheiten und Tod suchten die Leute heim. Formen von Jugendverwahrlosung, wie man sie heute noch in sehr armen Ländern kennt, traten auf. Ein Ausweg aus dieser Situation eröffnete sich in der textilen Heimarbeit, die vielen verarmten Familien etwas mehr Einkommen brachte. Überall aber wurde neben der Heimarbeit noch Landwirtschaft betrieben. Die schlechten Lebensbedingungen veranlassten auch zahlreiche Familien aus unserer Gemeinde auszuwandern, zuerst ins benachbarte Deutschland, später nach Amerika.

Die Revolution brachte die alte Ordnung in der Schweiz zu Fall. Im Tösstal rückten 1798 französische Truppen ein, die jedoch ein Jahr später vertrieben wurden. Nach der Revolution entwickelte sich Zell langsam zur heutigen politischen Gemeinde, ein Vorgang der bis 1934 währte, als Hinterrikon als letzter Teil zum heutigen Gemeindegebiet stiess.

Ab 1800 wurden in der Schweiz die ersten Spinnereien errichtet. Rasch entwickelte sich das Tösstal zu einem der am höchsten industrialisierten Gebiete Europas. Die Textilindustrie fand in unserer Gemeinde sowie im übrigen Tösstal besonders günstige Bedingungen: Wasserkraft und eine im Textilbereich bereits geschulte Bevölkerung. 1817/18 entstand in Rikon eine erste Spinnerei, die jedoch später einem Brand zum Opfer fiel. Es folgten die Spinnerei Stahel in Rämismühle, deren Gebäude aus Tuffstein von der Tüfelschilen bei Kollbrunn gebaut wurde, die Spinnereien Boller Winkler in Rämismühle und Bühler in Kollbrunn. Alle diese Firmen mussten in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf Grund veränderter wirtschaftlicher Bedingungen ihre Betriebe schliessen. Erwähnenswert ist die 1925 gegründete Metallwarenfabrik Kuhn, Rikon, die sog. «Pfanni», die noch heute ein wichtiger Arbeitgeber in unserer Gemeinde ist.

Die starke Industrialisierung förderte den Ausbau der Verkehrswege. 1837 wurde der Bau der Tösstalstrasse beendet. Vorher benutzten die Fuhrwerke das Bachbett der Töss als Verkehrsverbindung. Hochwasser führten immer wieder zu Überschwemmungen. 1876 wurde die Tösskorrektur in Angriff genommen und der Fluss in sein heutiges Bett verlegt.

Von grosser wirtschaftlicher Bedeutung war der Bau der Tösstalbahn, der von 1872 bis 1876 dauerte. Die Bahn gehörte zuerst einer privaten Gesellschaft und wurde erst 1918 aus finanziellen Gründen den SBB verkauft. 1951 wurde die Bahn elektrifiziert.

Mit diesen grossen Projekten entstanden der Gemeinde grosse Schulden. Die Bevölkerung lebte nach wie vor in eher ärmlichen Verhältnissen. Hohe Steuern, niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten brachten tägliche Sorgen. Kinderarbeit war kein Fremdwort.

Veraltete Arbeitsmethoden und überkommene Besitzesverhältnisse verhinderten in der Landwirtschaft ein rationelles Arbeiten. Mit der Güterzusammenlegung in den Jahren 1928-1935 wurde ein wichtiger Schritt in Richtung moderne Landwirtschaft getan. Weitere wichtige Aufgaben auf dem Weg zur heutigen Gemeinde waren Wasserversorgung, Kanalisation, Abfuhrwesen und vor allem die Ortsplanung.

In den Jahren nach dem Krieg entwickelte sich unsere Gemeinde mehr und mehr zu einer Vorortsgemeinde von Winterthur, ohne jedoch ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Ein Zonen- und Nutzungsplan reguliert die Entwicklung der Gemeinde. Rikon entwickelte sich zum Zentrum der Politischen Gemeinde Zell. Ein grosser Schritt gelang mit dem Neubau des Gemeindezentrums.

Ein weltgeschichtliches Ereignis hat sich in unserer Gemeinde besonders widerspiegelt: das Drama der tibetischen Flüchtlinge. Auf private Initiative der Familie Kuhn kamen in den frühen 60er Jahren erste tibetische Flüchtlingsfamilien nach Rikon. Die Gruppe vergrösserte sich rasch, eine Stiftung wurde errichtet, die später zum Bau des Klosters an der Wildbergstrasse in Rikon führte. Dieses Tibet-Institut wurde zu einem wichtigen kulturellen und geistigen Zentrum für Exiltibeter.

Die jüngste Vergangenheit unserer Gemeinde ist wie überall von starken politischen, kulturellen und sozialen Änderungen geprägt. Zentrale Probleme wie Umwelt und Verkehr, aber auch soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, Migration etc. verschonen unsere Gemeinde nicht und können wohl nur gemeinsam mit Bund und Kanton gelöst werden.